Archiv | August 2015

Kann das Sozialamt das geschenkte Elternhaus heraus verlangen ?

Diese Frage stellt sich in immer mehr Fällen, in denen Eltern ihren Kindern oder Enkeln Vermögen übertragen haben. Oft ist es das Familienheim, das die Eltern – aus den unterschiedlichsten Motiven – bereits zu Lebzeiten den Kindern übereignen. Sofern damit das wesentliche Vermögen der Eltern bereits auf die Kinder übergegangen ist, nehmen die Fälle zu, in denen die Eltern Kosten eines Altenheims oder Pflegeheims nicht mehr aus eigener Tasche bezahlen können.

Für diesen Fall erlaubt es das Gesetz, dass die Eltern das geschenkte Vermögen vom Kind zurückverlangen können. Dies geschieht allerdings in den seltensten Fällen, statt dessen werden die Eltern staatliche Leistungen in Form der Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Allerdings geht dann der Rückforderungsanspruch von den Eltern auf das Sozialamt über. Sprich: Das Sozialamt wird versuchen, die für die Eltern im Rahmen der Sozialhilfe aufgewendeten Beträge dadurch zu decken, dass es von den Kindern das geschenkte Vermögen zurückverlangt.

Gegen diesen Rückforderungsanspruch kann sich das beschenkte Kind wehren, insbesondere muss es sich zwei Fragen stellen:

1.
Sind seit der Vermögensübertragung bereits 10 Jahre verstrichen?

Dann kann die schenkweise Übertragung des Vermögens nicht mehr zurückgefordert werden. Bei Grundstücksschenkungen beginnen die zehn Jahre nicht erst mit Eintragung ins Grundbuch zu laufen, sondern bereits mit der Stellung eines Antrags auf Grundbuchänderung. Ob die Eltern sich einen Nießbrauch oder ein sonstiges Nutzungsrecht an der übertragenen Immobilie vorbehalten haben, spielt bei Berechnung dieser 10 Jahresfrist – anders als im Pflichtteilsrecht – keine Rolle.

Ist innerhalb dieser 10 Jahresfrist der Unterhalt der Eltern nicht mehr gesichert, kann Herausgabe des Geschenks bzw. Teilwertersatz verlangt werden. Entscheidend ist allein, dass die Unterhaltsbeeinträchtigung innerhalb der 10 Jahresfrist eintritt. Wiederkehrende Kosten für eine Unterbringung im Alter sind dann – soweit der Wert Geschenks reicht – auch wegen der im 11., 12. und in weiteren Jahren anfallenden Kosten rückforderungsfähig. Können also die Eltern 10 Jahre lang ihren eigenen Unterhalt decken und sind erst mit Anfang des 11. Jahres auf Unterstützung angewiesen, kann keine Rückforderung geltend gemacht werden. Tritt der Unterhaltsbedarf der Eltern nach 9 Jahren und 11 Monaten ein, kann auf das Geschenk zurückgegriffen werden – und nicht nur für den einen Monat, sondern auch für sämtlichen danach anfallenden Bedarf der Eltern.

2.
Ist mein eigener Unterhalt gesichert?

Ist dies nicht der Fall, sind die beschenkten Kinder nicht zur Herausgabe verpflichtet, denn es würde keinen Sinn machen, statt bei den Eltern nun bei den Kindern eine Unterhaltslücke entstehen zu lassen.

Grundsätzlich ist den Kindern als eigenen angemessenen Unterhalt so viel zu belassen, wie sie bei einer bestehenden Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern beanspruchen könnten. Wichtig ist, dass bereits eine mögliche Unterhaltsgefährdung bei den Kindern ausreicht, um eine Rückgabe der Schenkung zu verweigern. Auch lediglich zukünftig zu erwartende Unterhaltsbeeinträchtigungen
bei den Kindern haben insoweit also Vorrang vor der Beseitigung der Notlage der Eltern. Als Zeitraum nimmt die Rechtsprechung hier großzügig die durchschnittliche Lebensdauer der Kinder an, weil das (übertragene) Vermögen zusammen mit den Einkünften der Kinder eben der lebenslangen Unterhaltssicherung der Kinder dienen kann. Daraus können sich lange Zeiträume ergeben, die im Endeffekt bei richtiger Berechnung dazu führen können, dass die Kinder eine Rückgabe des Geschenks verweigern können.

Es lohnt sich also aus Sicht des Kindes, einem Regreß des geschenkten Vermögens eine mögliche Unterhaltsgefährdung entgegenzuhalten und zu berechnen.